Zum Inhalt

Durchstarten mit Kanban

Kanban ist eine Methode zur Arbeitsorganisation. Dies tönt erst einmal langweilig und formal. Zu viele Methoden haben uns erzählt dass wir alles falsch machen und unsere lieb gewonnenen Eigenheiten aufzugeben haben.

Kanban ist anders: Es gibt fast keine Regeln, Flexibilität ist nicht nur ein Stichwort und man kann ohne grossen Bruch mit dem Status Quo an einer Verbesserung arbeiten. Und will man schneller und aggressiver eine Veränderung herbeiführen ist auch dies machbar - aber man wird für einmal nicht dazu gezwungen.

In dieser Serie will ich Kanban näher bringen und zeigen was mir daran so gefällt. In den folgenden Beiträgen werde ich Werkzeuge vorstellen und Tipps für den Start mit Kanban geben. Aber beginnen wir erst einmal mit dem Grund wieso man Kanban anschauen soll und überprüfen wir meine Aussage von den wenigen Regeln.

Weil ToDo-Listen nicht genug sind

ToDo-Listen haben für mich nie wirklich funktioniert. Kaum hatte ich die Liste geschrieben gab es neue Dinge die noch hinein mussten. War im ersten Durchgang alles schön nach Priorität sortiert hatte ich so gleich das erste Durcheinander. Weder immer wieder die Liste neu zu erstellen noch eine Vergabe von Prioritäten hat für mich funktioniert. Nach kurzer Zeit habe ich aufs führen einer Liste verzichtet. Es ging ja auch ohne und war erst noch viel besser.

Schreibt man die Arbeiten nirgends auf hat man das nächste Problem: Entweder gehen sie vergessen oder man muss ständig daran denken. Beides ist nicht wirklich angenehm. Nach etlichen Versuchen mit alternativen Methoden landete ich schliesslich bei Kanban.

Regeln

Kanban verfügt über sehr wenig Regeln. Genau genommen sind es sogar nur 2:

  1. Visualisiere den Workflow
  2. Limitiere die gleichzeitige Arbeit

Durch die Visualisierung des Arbeitsflusses sieht man auf einen Blick wo die Arbeit liegt. Limitiert man die Arbeit an der man gleichzeitig ist kann man sich auf die wichtigen Tätigkeiten fokussieren. Für mich gibt es noch eine weitere Regel die ich für einen erfolgreichen Einsatz von Kanban als nötig erachte:

  1. Überprüfe den Fortschritt

Ohne diesen Zusatz fehlt einem die Motivation für eine Verbesserung. Der dafür häufig verwendete japanische Begriff ist Kaizen und meint die stetige Verbesserung (auch in ganz kleinen Schritten).

Mit Kanban starten

Für den Start in Kanban empfiehlt es sich die eigenen Arbeiten zu verwalten. So kann man die ersten Erfahrungen sammeln ohne gleich die ganze Umwelt mit einem halb verstandenen Konzept zu überrennen.

Zu Beginn genügen kleine Post-It Zettel und ein Blatt Papier. Das Papier dient als Kanban-Board und wird in 3 Bereiche unterteilt:

Initiales Kanban-Board

Nach der Visualisierung geht es nun an die Limitierung der gleichzeitigen Arbeit. Dies wird als WIP-Limit bezeichnet, wobei WIP für Work in Progress steht. Man sollte sich für den ersten Versuch nicht zu viele Gedanken über die Limiten machen. Diese kann man gleich wie die Spalten später immer noch anpassen. Um zu beginnen kann das Limit für die Spalte in Arbeit auf 3 gesetzt werden.

Kanban-Board mit WIP-Limite

Als nächstes werden alle Arbeiten die anstehen auf die Post-It Zettel geschrieben – pro Zettel nur 1 Aufgabe. All diese Zettel landen in der Spalte Bereit. Fürs erste kann man sowohl auf eine Aufwandsschätzung wie auch auf eine Priorisierung verzichten. Es geht vorerst einmal darum zu sammeln. Durch die Regel 3 kann man später immer noch darauf zurückkommen – falls man dies noch als wichtig erachtet.

Kanban Tasks erfassen

Mit allen offenen Arbeiten vor sich wählt man nun die Arbeit aus, die man jetzt beginnen kann und die am wichtigsten ist. Diesen Zettel zieht man in die Spalte in Arbeit und beginnt mit der Arbeit. Ist man damit fertig zieht man den Zettel in die Spalte Erledigt. Diesen Ablauf wiederholt man bis alle Arbeiten durchs Board gezogen wurden und erledigt sind.

Mit der Arbeit beginnen

Dieses ziehen macht das Pull-Prinzip aus. Wenn ich über freie Kapazität verfüge hole ich mir eine neue Arbeit. Im Gegensatz zum Push-Prinzip wo mir von aussen Arbeiten zugeschoben werden - unabhängig davon ob ich überhaupt Zeit dafür habe.

Blockierte Arbeiten

So einfach wie gerade beschrieben wird man wohl nicht arbeiten können. Oft geht es nicht lange und man ist blockiert. In dem Fall prüft man ob das WIP-Limit erreicht ist. Hat man noch freie Kapazität holt man die nächste Aufgabe in die Spalte in Arbeit und beginnt mit dieser. Wird man auch bei dieser Arbeit blockiert wiederholt man diesen Ablauf so lange das WIP-Limit nicht erreicht ist. Bevor man zusätzliche Arbeiten beginnt sollte man aber überprüfen ob sich eine Blockade mittlerweile aufgelöst hat.

Ist das WIP-Limit erreicht muss man die Ursachen der Blockaden angehen. Erhöht man einfach das WIP-Limit hat man in kürzester Zeit nicht nur 3 blockierte Aufgaben, sondern 10 oder 20.

Kanban-Board blokiert

Die Ursache hinter den Blockaden herauszufinden ist oft nicht einfach. Vorgehensweisen wie die 5-Whys können einem mit überschaubarem Aufwand an die Quelle der Probleme führen. Bleibt auch dies ohne Erfolg hat man immer noch die Möglichkeit das WIP-Limit zu erhöhen.

Wie Priorisieren und Aufwand schätzen?

An der Art wie man die Aufgaben priorisiert oder auch den Aufwand schätzt ändert sich mit Kanban nichts. Man kann genau so weiter machen wie man es sich gewohnt ist. Erst beim abarbeiten sollen nur noch so viele Aufgabenangegangen werden wie es das WIP-Limit erlaubt.

Nutzt man die Anzahl Karten als WIP-Limit braucht man die Aufwände der einzelnen Arbei-ten nicht extra zu schätzen. Bei der Priorisierung kann man es sich ebenfalls einfach machen und die Arbeiten in der Reihenfolge angehen, wie diese in der Spalte Bereit aufgelistet sind. Eine Repriorisierung der Aufgaben beschränkt sich so auf das Verschieben der Karten an die passende Stelle.

All dies ist nicht nur erlaubt sondern man soll auch explizit alles nutzen, was einem bei der Produktivitätssteigerung hilft. Ein anpassen und erweitern ist keine Verletzung der Prinzipen von Kanban sondern explizit gewünscht.

Zusätzliche Arbeit

Sobald man mit der einen Aufgabe begonnen hat taucht schon bald die nächste noch wichtigere Arbeit auf. Im Gegensatz zu Scrum kann jederzeit eine neue Aufgabe aufgenommen werden. Ist das WIP-Limit noch nicht erreicht könnte man gleich mit der neuen Aufgabe beginnen, andernfalls landet diese in der Spalte Bereit.

Diese Flexibilität ist besonders für Software-Projekte hilfreich bei denen sich das gleiche Team um die Entwicklung und den Betrieb kümmert. Kanban geht auf diese Bedürfnisse ein und ermöglicht eine komplette Rundumsicht auf alle gemachten arbeiten. So zeigt das Kanban-Board auf den ersten Blick wie viele Supportfälle angefallen sind und wie viel Zeit die Entwickler mit dem Lösen von Produktionsproblemen verbringen.

Wo anfangen?

Wie bereits erwähnt fängt man am besten mit seinen eigenen Tätigkeiten an. Dazu braucht man nicht mit den bestehenden (teamweit) verwendeten Werkzeugen zu brechen. Es genügt vollends die Aufgaben die einem zugewiesen wurden auf dem eigenen Kanban-Board unter Bereit aufzulisten, bei in Arbeit ein passendes WIP-Limit zu setzen und mit der Abarbeitung zu beginnen.

Dieser kleine Schritt ermöglicht einem Kanban ohne grossen Aufwand auszuprobieren. Selbst mit so einer kleinen Anwendung kann man von der Fokussierung auf die wichtigen Tätigkeiten profitieren. Wenn Kanban einem gefällt ist es ein kleiner Schritt all seine Aufgaben zu erfassen. Und wenn nicht kann man das Experiment beenden ohne viel zu verlieren.

Kanban-Board: Arbeiten erledigt

Ausblick

In der nächsten Folge werde ich das Buch „Kanban“ vorstellen. Darin wird von David J. Anderson gezeigt dass Kanban nicht nur in der Produktion von Fahrzeugen sondern auch für die Software-Entwicklung sehr gut geeignet ist.

Kanban Serie

Falls dieser Beitrag ihr Interesse geweckt hat sollten Sie einen Blick auf die übrigen Folgen dieser Kanban Serie werfen:

  1. Durchstarten mit Kanban
  2. Buch-Rezension zu “Kanban”
  3. Werkzeuge für Kanban
  4. Buch-Rezension zu “Kanban and Scrum”
  5. Erfahrungen mit Kanban